Freitod von den Zwillingen mit Usher-Syndrom in Belgien, Januar 2013
Mit größtem Entsetzen und Betroffenheit haben wir als taubblinde Menschen die Medienberichte über den Freitod der Zwillinge in Belgien aufgenommen. Die 45jährigen Zwillinge mit Usher-Syndrom haben sich für den Freitod entschieden, nachdem sie erfuhren, dass sie im Alter erblinden würden. Dazu haben sie sich der Sterbehilfe bedient, die seit 10 Jahren in Belgien legal ist.
Die Entscheidung der belgischen Zwillinge, den Freitod zu wählen, respektieren wir. Aber wir, die Bundesarbeitsgemeinschaft der Taubblinden (BAT) e.V. sind sehr erschrocken darüber, dass eine aktive Sterbehilfe auch für taubblinde Menschen möglich ist. Aus diesem Grund finden wir es schlimm, dass Taubblindheit und Sterbehilfe zusammen in die Diskussion gebracht wird.
In verschiedenen Foren und Medien gab es viele Diskussionen darüber. Wir möchten jedoch hier noch einmal deutlich hervorheben, dass ein Leben mit Taubblindheit bzw. Usher-Syndrom möglich ist. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass wir mit der Doppelbehinderung – also der Hör- und Sehbehinderung – normal und zufrieden leben können. Es können allerdings noch weitere Erschwernisse zu der vorhandenen Hör- und Sehbehinderung hinzukommen, wie z.B. körperliche Erkrankungen, kein stabiles Umfeld oder kaum Unterstützung. Wir können nachvollziehen, dass man darüber verzweifeln kann und keinen Ausweg mehr sieht. Für uns ist es jedoch ein Tabubruch, wenn unsere Hör- und Sehbehinderung – das Usher-Syndrom – in einem Atemzug mit aktiver Sterbehilfe in Verbindung gebracht wird.
Wir haben in Deutschland verschiedene Selbsthilfegruppen für Taubblinde, Vereine und Fachgruppen, die den Betroffenen Hilfen und Unterstützung anbieten und vermitteln können. Außerdem werden Bildungsseminare und Freizeitwochen angeboten.
Mit der richtigen und notwendigen Unterstützung – wie z.B. Taubblindenassistenz, Lormdolmetscher, Taubblindendolmetscher, taubblindengerechte Hilfsmittel – ist ein erfülltes Leben mit der Taubblindheit möglich. Hier in Deutschland ist aber leider immer noch viel zu wenig Unterstützung dafür vorhanden.
Das selbstbestimmte Leben ist für uns taubblinde Menschen sehr wichtig, dafür kämpfen wir weiter. Daher sind wir – die Bundesarbeitsgemeinschaft der Taubblinden e.V. – aktiv und setzen uns für unsere Rechte ein, z.B. für die Umsetzung der UN-Konvention für Behindertenrechte. Die Anerkennung der Taubblindheit als eigenständige Behinderung und ein eigenes Merkzeichen für Taubblindheit sind unsere Ziele.
Wir stehen gerne für weitere Fragen und Diskussionen zur Verfügung. Die unten stehenden Links verweisen auf weitere Stellungnahmen.
Bundesarbeitsgemeinschaft der Taubblinden e.V.
In PDF zu lesen
Links zu den Stellungnahmen:
http://www.stiftung-taubblind-leben.de/news.html http://www.leben-mit-usher.de/artikel/stellungnahme-taubblinde-belgische-zwillinge-waehlen-den-freitod – Stellungsnahme von LmU – DOC
http://www.szb.ch/aktuell/szb-news/ein-leben-mit-wenig-oder-ohne-hoeren-und-sehen-ist-nicht-unmoeglich.html
European Deafblind Union statement regarding the euthanasia of deaf Belgian twins.
Deutsche Gehörlosen Bund e.V. – Stellungnahme zum Fall der Sterbehilfe bei taubblinden Zwillingen in Belgien
Presse:
Link zu einem Artikel in der FAZ
Link zu dem Artikel in Spiegel online
Türen zu Suizid-Beihilfe sind Türen zur »Hölle« – Interview mit Ruth Zacharias – die freie welt
Taubblind, Familienvater, Diakon: ‚Ich war schockiert!‘ in der Katholische Nachrichten